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Rechtsanwalt Christof Böhmer Fachanwalt für Arbeitsrecht und für Versicherungsrecht Düsseldorf
Rechtsanwalt Christof BöhmerFachanwalt für Arbeitsrechtund für Versicherungsrecht                                                                               Düsseldorf 

Insolvenz des Arbeitgebers; Lohnanspruch, Kündigung, pp.

 

Die Insolvenz des Arbeitgebers führt zu einschneidenden Konsequenzen auch für das Arbeitsverhältnis. Welche Konsequenzen sich aus der Insolvenz ergeben und wie darauf zu reagieren ist, soll dieser Rechtstipp beleuchten.

 

1. Das Insolvenzverfahren

 

Hier ist zunächst einmal darzustellen, wie das Insolvenzverfahren im Groben "funktioniert":

Das Verfahren beginnt mit einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welcher beim zuständigen Insolvenzgericht zu stellen ist. Dies kann durch einen Gläubiger oder durch den Schuldner selbst geschehen, wobei teilweise sogar eine strafbewehrte Pflicht zur Antragstellung für Geschäftsführer bzw. Vorstände besteht.

 

Das Insolvenzverfahren wird aber erst durch das Gericht eröffnet und nicht etwa schon durch die Antragstellung. Das Gericht eröffnet das Verfahren dann, wenn ein Insolvenzgrund (im Wesentlichen: Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) vorliegt und eine zur Durchführung des Insolvenzverfahrens erforderliche Masse vorhanden ist oder jedenfalls zu erwarten ist.

 

Um diese Feststellungen treffen zu können, bestellt das Insolvenzgericht regelmäßig einen sogenannten vorläufigen Insolvenzverwalter, welcher die Aufgabe hat, zunächst vorläufige Maßnahmen zu treffen, um die Insolvenzmasse zu erhalten und zugleich ein Gutachten über die Voraussetzungen für die Verfahrenseröffnung zu fertigen, das als Grundlage für die gerichtliche Entscheidung dient. Der vorläufige Insolvenzverwalter erhält für die Dauer dieses Insolvenzeröffnungsverfahrens sich im einzelnen je nach Verfahren unterscheidende Befugnisse. So können ihm die Arbeitgeberrechte zur Ausübung übertragen werden oder sonstige Verfügungsbefugnisse übertragen werden. In den meisten Fällen wird er mit einem sogenannten Zustimmungsvorbehalt ausgestattet. Verfügungen des Schuldners sind dann wirksam nur noch mit ausdrücklicher Zustimmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter möglich.

 

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht tritt der (nun nicht mehr vorläufige) Insolvenzverwalter quasi in die Position des Schuldners. Er ist nun berechtigt, sämtliche Erklärungen und Verfügungen, welche die Gegenstände betreffen, die dem Insolvenzbeschlag unterliegen, im eigenen Namen abzugeben. Hierzu gehören auch Vertragsverhältnisse, die der Schuldner mit Dritten - z.B. Arbeitnehmern - hat. Er ist auch Partei eines sich möglicherweise auf die Insolvenzmasse beziehenden Rechtsstreits. Kündigt beispielsweise der Insolvenzverwalter ein mit der Insolvenzschuldnerin bestehendes Arbeitsverhältnis, so ist die Kündigungsschutzklage gegen den "XXXXX in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der YYYY GmbH" zu richten. Eine Klage gegen die Schuldnerin YYYY GmbH wäre schlicht unzulässig und würde daher abgewiesen(!).

 

2. Entgeltansprüche im Insolvenzverfahren

 

a) Eröffnungsverfahren

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass das Insolvenzeröffnungsverfahren noch keinen Einfluss auf Entgeltansprüche hat. Insbesondere mindert das Eröffnungsverfahren weder den Anspruch, noch ändert sich die Person des Anspruchsgegners. Soll das Entgelt eingeklagt werden, so wäre weiterhin der Schuldner (Arbeitgeber) zu verklagen. Zu beachten ist jedoch, dass das Klageverfahren gesetzlich in dem Augenblick unterbrochen wird, indem das Insolvenzverfahren eröffnet wird (§ 240 ZPO).

 

Dennoch kann es angezeigt sein, den Anspruch gerichtlich geltend zu machen, wenn ansonsten ein Verfall des Anspruchs droht oder wenn davon ausgegangen wird, dass das Insolvenzverfahren letztlich nicht eröffnet wird.

 

b) Insolvenzgeld

Die Arbeitsagentur leistet längstens für drei Monate Insolvenzgeld in Höhe des vollen Nettoarbeitsentgelt-Anspruchs, welcher wegen der Insolvenz des Arbeitgebers nicht bezahlt wurde. Voraussetzung ist, dass es sich um Lohnansprüche handelt, die vor dem Insolvenzereignis (Verfahrenseröffnung oder Nichteröffnung mangels einer zur Deckung der Verfahrenskosten erforderlichen Masse) entstanden. Insolvenzgeld kann also grundsätzlich erst beantragt werden, wenn das Insolvenzgericht über die Verfahrenseröffnung entschieden hat. Dann aber ist grundsätzlich innerhalb einer Frist von zwei Monaten der Antrag auf Insolvenzgeld zu stellen.

 

In Fällen, in denen der vorläufige Insolvenzverwalter eine Möglichkeit sieht, das Unternehmen auch im eröffneten Insolvenzverfahren weiter zu betreiben, hat er natürlich ein Interesse daran, dass die Mitarbeiter durchgehend Arbeitslohn erhalten, damit sie weiterhin ihre Arbeitsleistung erhalten und diese nicht wegen nicht erfüllter Entgeltforderung zurückbehalten. Hier wird häufig von der Möglichkeit einer Insolvenzgeld-Vorfinanzierung Gebrauch gemacht:

 

Eine Bank erteilt einen Kredit in Höhe der Entgeltansprüche und erhält hierfür die (später erst entstehenden) Insolvenzgeldansprüche der Arbeitnehmer im Voraus abgetreten. Die Arbeitsagentur sichert der Bank hierzu bereits zu, dass das Insolvenzgeld mit der Verfahrenseröffnung fließen wird.

 

c) eröffnetes Insolvenzverfahren

Entgeltansprüche, die erst im eröffneten Insolvenzverfahren entstehen, sind sogenannte Masseschulden. Diese sind im System der Forderungen in einem Insolvenzverfahren gegenüber den einfachen Insolvenzforderungen privilegiert.

 

Es gilt grundsätzlich die Reihenfolge für die Forderungserfüllung:

 

- Massekosten (Kosten des Verfahrens)

- Masseschulden (Im Wesentlichen Verbindlichkeiten, die erst nach Verfahrenseröffnung entstehen)

- Insolvenzforderungen (Hauptsächlich Forderungen, die bei Verfahrenseröffnung bereits bestanden)

 

Sollte sich herausstellen, dass die Insolvenzmasse nicht einmal reicht, die Kosten des Verfahrens (Massekosten) zu decken, ist das Insolvenzverfahren einzustellen.
Insolvenzforderungen sind grundsätzlich nur quotal zu befriedigen. Für die Erfüllung der Masseschulden haftet der Insolvenzverwalter demgegenüber grundsätzlich vollumfänglich mit seinem gesamten Vermögen.

 

Soweit der Insolvenzverwalter aber feststellt, dass der Massebestand möglicherweise nicht ausreichen wird, die Masseschulden vollständig zu befriedigen, kann und muss er die Masseunzulänglichkeit gegenüber dem Gericht erklären. Geschieht dies, sind auch die Masseschulden nur nach einer Rangfolge zu erfüllen.

 

Hier stehen dann die Masseforderungen aus gegenseitigen Verträgen (z.B. Arbeitsverträgen) an erster Stelle, bei denen der Insolvenzverwalter die Gegenleistung (z.B. die Arbeitsleistung) in Anspruch nimmt. Demgegenüber rangieren die Forderungen aus Verträgen, bei denen der Insolvenzverwalter die Leistung nicht in Anspruch nimmt, weit hinten. (§ 209 InsO)
Der Insolvenzverwalter kann also durch Nichtannahme der Arbeitsleistung ("Freistellung") beeinflussen, ob der Arbeitslohn bezahlt wird oder mangels ausreichender Masse (zunächst) unbezahlt bleibt.

 

Soweit der Arbeitslohn bei Masseunzulänglichkeit nicht bezahlt wird, weil der Arbeitnehmer für die Dauer der Kündigungsfrist freigestellt wird, kann aber bereits Arbeitslosengeld beantragt werden - obwohl das Arbeitsverhältnis rechtlich noch nicht beendet ist (sogenannte "Gleichwohl-Gewährung").

 

3. Kündigung im Insolvenzverfahren

 

Im Insolvenzeröffnungsverfahren gelten zunächst keine Besonderheiten. Allerdings ist die Kündigung bei Ausstattung des Verwalters mit einem Zustimmungsvorbehalt gegebenenfalls nur dann wirksam, wenn der Insolvenzverwalter die Zustimmung zur Kündigung erteilt hat.

 

Zu beachten ist, dass die Kündigung innerhalb einer Frist von 3 Wochen ab ihrem Zugang mit einer Klage beim Arbeitsgericht angegriffen werden muss. Hierbei handelt es sich um eine Notfrist, die regelmäßig nicht verlängerbar ist. Wird die Frist versäumt, gilt die Kündigung als wirksam.

 

Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibt auch der Arbeitgeber richtiger Beklagter. Erst ab der Verfahrenseröffnung ist der Insolvenzverwalter zu verklagen (!).

 

Im eröffneten Insolvenzverfahren entfallen zunächst alle Kündigungshemmnisse. Insbesondere kann der Insolvenzverwalter auch tariflich oder gesetzlich unkündbaren Mitarbeitern das Arbeitsverhältnis kündigen. Die Frist zur Kündigung beträgt höchstens 3 Monate zum Monatsende. 

 

Im Übrigen bleibt aber das Kündigungsschutzgesetz voll anwendbar. So muss auch ein Insolvenzverwalter das Vorliegen eines Kündigungsgrundes im Einzelnen darlegen und gegebenenfalls auch beweisen. Führt der Insolvenzverwalter den Betrieb beispielsweise fort und verkleinert er hierzu lediglich die Belegschaft, so muss er auch die zutreffende Sozialauswahl im Kündigungsschutzprozess darlegen.

 

Auch hier ist auf die 3-Wochen-Frist zur Klageerhebung hinzuweisen, wobei Klagegegner hier der Insolvenzverwalter ist. In diesem Fall würde eine Klage gegen den Schuldner jedenfalls mangels "Passivlegitimation" abgewiesen werden. Für eine Korrektur des Fehlers wäre es möglicherweise dann zu spät, weil die 3-Wochen-Frist abgelaufen sein drüfte, wenn der Fehler bemerkt wird.

 

Rechtsanwalt Christof Böhmer